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Die neue Maschinenverordnung - Was ändert sich?

Andreas Schunkert • 30. Oktober 2024

Maschinenverordnung - Was ist neu, was ändert sich?


Einleitung


Die Maschinenrichtlinie (MRL) ist ein zentrales Element der europäischen Produktsicherheitsgesetzgebung, die sicherstellen soll, dass Maschinen in der Europäischen Union (EU) sicher betrieben werden können. Sie legt grundlegende Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen für Maschinen fest, um den Schutz von Menschen und Tieren sowie den Schutz von Eigentum zu gewährleisten. Mit der Einführung der Maschinenverordnung (MV) im Jahr 2023 erfolgt eine grundlegende Neubewertung der Rahmenbedingungen für die Sicherheitsanforderungen an Maschinen. In diesem Artikel betrachten wir die Historie der Maschinenrichtlinie und die wesentlichen Änderungen, die die Maschinenverordnung mit sich bringt, sowie deren Auswirkungen auf Maschinenbauer und Roboterintegratoren.


Historie der Maschinenrichtlinie


Die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG wurde 2006 verabschiedet und trat 2009 in Kraft. Sie war ein entscheidender Schritt in der Harmonisierung der Sicherheitsanforderungen für Maschinen innerhalb der EU und sollte einen einheitlichen Sicherheitsstandard gewährleisten. Die MRL legte fest, dass Maschinen, die in der EU auf den Markt gebracht werden, den grundlegenden Anforderungen an Gesundheit und Sicherheit entsprechen müssen.

Im Zuge der fortschreitenden Technologisierung, insbesondere im Bereich der Robotik und Automatisierung, war es offensichtlich, dass eine Überarbeitung der bestehenden Regelungen notwendig wurde. Um den aktuellen technologischen Entwicklungen Rechnung zu tragen, wurde die Maschinenverordnung 2023 n. F. verabschiedet. Sie ersetzt die bestehende Maschinenrichtlinie und definiert einen neuen rechtlichen Rahmen für Maschinen und ihre Integration. Bis zum 20. Januar 2027 haben Integratoren und Maschinenbauer Zeit, sich mit den Inhalten der neuen Maschinenverordnung auseinander zu setzen. An diesem Stichtag tritt sie dann in Kraft und löst damit die bis dahin gültige Maschinenrichtlinie ab.


Wesentliche Änderungen und Neuerungen


1. Erweiterter Anwendungsbereich

Die Maschinenverordnung umfasst nicht nur traditionelle Maschinen, sondern auch robotergestützte Systeme und autonomes Fahren. In der zunehmend digitalisierten und automatisierten Fertigungswelt ist der erweiterte Anwendungsbereich von großer Bedeutung. Maschinenbauer und Roboterintegratoren müssen nun bei der Entwicklung ihrer Produkte die neuen Anforderungen an autonome Systeme berücksichtigen.


2. Integration von Cybersecurity

Mit der Maschinenverordnung wird der Aspekt der Cybersecurity in den Mittelpunkt gerückt. Sicherheitsanforderungen für Software und digitale Systeme sind jetzt integraler Bestandteil der Konformität. Dies bedeutet, dass Maschinenbauer und Roboterintegratoren geeignete Maßnahmen ergreifen müssen, um die Sicherheit ihrer Maschinen gegen Cyberangriffe zu gewährleisten. Dazu gehören regelmäßig durchgeführte Sicherheitsprüfungen und Updates. Grundlage für die Behandlung der Cybersecurtity ist dabei der Cyber resilance act der EU, welchen wir hier noch in einem zukünftigen Blog Beitrag detaillierter behandeln werden.


3. Risikobewertung und Dokumentation

Die Neuregelungen verlangen eine umfassendere Risikobeurteilung und Dokumentation. Hersteller werden aufgefordert, detaillierte technische Unterlagen zu erstellen, die den gesamten Lebenszyklus der Maschinen abdecken, einschließlich Konstruktion, Produktion, Testung und Inbetriebnahme. Die Dokumentation dient nicht nur der Transparenz, sondern auch der Rückverfolgbarkeit von Sicherheitsmaßnahmen und möglichen Risiken, die während des Betriebs auftreten können.

Hier könnte man natürlich erst einmal denken, dass dies doch auch schon in der Maschinenrichtlinie so vorgegeben wurde, Allerdings bringt die Maschinenverordnung (MV) in Bezug auf dieses Thema einige präzisierende und erweiternde Neuerungen mit sich, die für Maschinenbauer und Roboterintegratoren von Bedeutung sind.

So verlangt Maschinenverordnung zum Beispiel eine detailliertere Risikobewertung, die auch spezifische Risiken im Zusammenhang mit neuen Technologien, wie z.B. der Integration von Software oder KI, berücksichtigt. Während die MRL schon eine Risikobewertung verlangte, wird in der MV näher beschrieben, wie solche Bewertungen konkret durchzuführen sind, vor allem im Kontext autonomer Systeme.

Ebenso wird die Dokumentationsanforderungen unter der Maschinenverordnung enger gefasst und fordert eine bessere Nachvollziehbarkeit der Sicherheitsevaluierung. Hersteller müssen umfassende technische Unterlagen bereitstellen, die alle identifizierten Risiken, die durchgeführten Bewertungen und die getroffenen Sicherheitsmaßnahmen dokumentieren. Während auch die MRL bereits Dokumentation verlangte, wird in der MV nun mehr Wert auf eine konsistentere und nachvollziehbare Struktur gelegt.


4. Neue Konformitätsbewertungsverfahren

Die Maschinenverordnung führt verschiedene Konformitätsbewertungsverfahren ein, die je nach Art und Risikostufe der Maschine angewendet werden. Diese Verfahren sind dabei differenzierter und spezifischer auf die jeweilige Maschine oder das System zugeschnitten. So müssen Maschinenbauer und integratoren sicherstellen, dass sie über das notwendige Know-how und die Ressourcen verfügen, um diese neuen Verfahren einzuhalten. Speziell beim Thema KI im Bereich Safety ist besondere Vorsicht geboten. Denn hier schreibt die MV klar vor, dass sobald eine KI im Bereich Safety Verwendung findet (auch wenn nur eine Teilkomponente der Gesamtanlage eine KI im Bereich Safety hat), eine annerkannte Prüfstelle (wie z.B. der TÜV) für das Konformitätsbewertungsverfahren heran zu ziehen ist.


5. Verpflichtung zur Marktüberwachung

Eine weitere wichtige Änderung ist die verstärkte Marktüberwachung. Die Behörden werden mehr Verantwortung für die Überwachung der Einhaltung der neuen Regelungen haben. Dies bedeutet, dass Maschinenbauer und Roboterintegratoren proaktiv sicherstellen müssen, dass ihre Produkte den Anforderungen entsprechen, da unangemessene Nonkonformität zu rechtlichen Folgen führen kann. Das heißt, die MV legt mehr Gewicht auf die fortlaufende Überprüfung und Anpassung der Risikobeurteilung. Das bedeutet, dass nach der Marktfreigabe ständig überprüft werden muss, ob die Maschinen weiterhin den neuen Anforderungen und Sicherheitsstandards entsprechen, insbesondere wenn neue Risiken identifiziert werden.


Auswirkungen auf Maschinenbauer und Roboterintegratoren


Die Einführung der Maschinenverordnung hat weitreichende Konsequenzen für Maschinenbauer und Roboterintegratoren:


  • Erhöhte Verantwortung: Die neuen Anforderungen erfordern eine proaktive Herangehensweise an die Sicherheit von Maschinen und Systemen. Unternehmen müssen sicherstellen, dass sie nicht nur die technischen Anforderungen erfüllen, sondern auch gute Dokumentationspraktiken implementieren und auf dem neuesten Stand der Technik bleiben.
  • Schulung und Weiterbildung: Durch die neuen Anforderungen sind Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen für Mitarbeiter unerlässlich. Fachkräfte müssen mit den neuen Regeln, insbesondere in Bezug auf Risikobeurteilung und Cybersecurity, vertraut gemacht werden.
  • Investitionen in Technologien: Die Integration von Sicherheitsmaßnahmen, insbesondere im Bereich Cybersecurity, erfordert Investitionen in neue Technologien und Systeme. Maschinenbauer und Roboterintegratoren müssen bereit sein, diese Veränderungen zu akzeptieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben.


Fazit


Die Maschinenverordnung stellt einen wichtigen Schritt in der Weiterentwicklung der Sicherheitsstandards für Maschinen und automatisierte Systeme dar. Mit ihrem erweiterten Anwendungsbereich, den neuen Anforderungen an Cybersecurity und der verstärkten Verantwortung für die Dokumentation und Risikobewertung wird auf Maschinenbauer und Roboterintegratoren eine entscheidende Rolle zu kommen, damit die neuen Regelungen erfolgreich umgesetzt werden.

Die Änderungen der Maschinenverordnung bringen sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich. Insbesondere der Fokus auf moderne Technologien und Sicherheitsaspekte wie Cybersecurity unterstreicht die Notwendigkeit für Unternehmen, sich ständig weiterzuentwickeln und anzupassen. Um in einem zunehmend wettbewerbsintensiven und technologisch komplexen Umfeld erfolgreich zu sein, müssen Maschinenbauer und Roboterintegratoren die neuen Anforderungen nicht nur erfüllen, sondern auch als Gelegenheit nutzen, um Innovationen voranzutreiben und Sicherheitsstandards zu übertreffen.


Ausblick: Adaptation an den neuen regulatorischen Rahmen


Die Anpassung an die Maschinenverordnung erfordert Zeit und gründliche Vorbereitung. Unternehmen sollten folgende Schritte berücksichtigen:

  1. Frühzeitige Analyse der Auswirkungen: Maschinenbauer sollten eine umfassende Analyse durchführen, um die spezifischen Auswirkungen der Maschinenverordnung auf ihre Produkte und Prozesse zu bewerten. Dies umfasst Investitionen in Schulungen und Technologien, die zur Erfüllung der neuen Anforderungen nötig sind. Hier beraten und unterstützen wir von Cobot Safety Sie natürlich gerne.
  2. Zusammenarbeit und Austausch: Der Dialog mit Branchenkollegen, Verbänden und Institutionen kann wertvolle Einsichten bieten. Branchenforen und Workshops sind nützlich, um Best Practices auszutauschen und Erfahrungen zu teilen.
  3. Innovative Sicherheitslösungen: Unternehmen sind gefordert, innovative Lösungen zu entwickeln, die nicht nur die Sicherheitsanforderungen der Maschinenverordnung erfüllen, sondern auch einen Mehrwert für die Kunden bieten. Dies kann durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz, maschinellem Lernen und modernen Datensicherheitstechnologien geschehen.
  4. Feedback-Mechanismen implementieren: Um kontinuierlich zu lernen und sich zu verbessern, sollten Unternehmen Mechanismen zur Rückmeldung von Kunden und Benutzern implementieren. Das Feedback zu Maschinen in der praktischen Anwendung kann entscheidend sein, um Sicherheitsmaßnahmen zu optimieren und die Leistung zu steigern. Bedenken Sie hierbei, dass die kontinuierliche Überprüfung und Anpassung dabei durch die Maschinenverordnung verpflichtend ist.


Unsere finalen Gedanken


Die Maschinenverordnung markiert einen bedeutenden Wandel für den Maschinenbau und die Robotik-Integration in Europa. Die neuen Anforderungen bieten die Chance, Sicherheitsstandards auf ein höheres Niveau zu heben und innovative Lösungen zu erforschen, die den Bedürfnissen einer dynamischen Industrie gerecht werden. Maschinenbauer und Roboterintegratoren sind gefordert, sich proaktiv mit den neuen Vorschriften auseinanderzusetzen und die notwendigen Anpassungen vorzunehmen, um nicht nur gesetzeskonform zu sein, sondern auch wettbewerbsfähig zu bleiben.

In einer Zukunft, die zunehmend auf Automatisierung und digitale Technologien setzt, wird die Fähigkeit, sich schnell an neue regulatorische Rahmenbedingungen anzupassen, entscheidend für den Erfolg von Unternehmen in der Maschinenbau- und Robotikbranche sein. Gerne beraten wir von Cobot Safety Sie in der Umsetzung oder schulen Ihre Mitarbeiter.



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Robotik erhält einen neuen Anstrich Seit 2011 und damit seit 12 Jahren ist die aktuelle Fassung der ISO 10218 in Ihren beiden Teilen erhältlich. Diese nach dem EU Harmonisierungskonzept auch als EN ISO 10218 übernommene Norm ist damit seit vielen Jahren der Anker der Robotik weltweit. In dieser Norm werden im Teil 1 die sicherheitstechnischen Anforderungen an Industrieroboter definiert und im Teil 2 erhalten Integratoren von Robotiklösungen Anweisungen, worauf sie bei der Integration von Roboterapplikationen zu achten haben. Die ISO 10218 ist daher in ihren beiden Teilen ein nicht weg zu denkender Bestsandteil der Automatisierung. Jedoch hat dich in den letzten 12 Jahren auch sehr viel auf dem Robotikmarkt getan. Neue Player sind auf dem Markt erschienen, andere haben sich verabschiedet. Neue Techniken, neue Ansätze, neue Funktionen, neue Sicherheitskonzepte usw. Der Markt im Bereich der Robotik ist einer der am stärksten wachsenden und damit auch ein Bereich, der ständigen Neuerungen und Anpassungen unterliegt. Die Anpassung der ISO 10218 auf diese neuen Gegebenheiten ist damit längst überfällig. 2024 wird es dann auch endlich so weit sein. Mit coronabedingten Verzögerungen wird bis Mitte des Jahres die Neufassung der ISO 10218 erwartet. Hervorheben muss man hier, dass es sich tatsächlich um eine Neufassung und nicht nur um eine Überarbeitung handelt, was speziell am Teil 2 der neuen Norm ersichtlich wird. In der neuen ISO 10218-2 wird dann nämlich nicht nur der Inhalte der alten ISO 10218-2, sondern zusätzlich noch die Inhalte der ISO/TS 15066 – Kollaborative Roboter ISO/TR 20218-1 – Greiforgane ISO/TR 20218-2 – Manuelle Be- und Entladestationen zu finden sein. Der neue Teil 2 wird damit auf ein mächtiges Dokument mit mehr als 250 Seiten anwachsen, welche es für Integratoren und Maschinenbauer in Zukunft umzusetzen gilt. Aber auch der Teil 1 wird sich in seiner Neufassung erheblich von seiner Vorgängerversion unterscheiden. Es wurden neue Strukturierungen geschaffen, Erkenntnisse der letzten 10-15 Jahren sind eingeflossen, es werden Unter-scheidungen gemacht, wo es vorher keine gab und die Frage nach dem Performance Level von Sicherheitsfunktionen wird weit komplexer als sie es vorher war. Änderungen in der ISO 10218-1 Natürlich können in diesem Artikel nicht sämtliche Änderungen im Teil 1 aufgezeigt werden. Aber die gravierendsten und wichtigsten Neuerungen wollen wir hier kurz darlegen. Komplette Neustrukturierung des Abschnitts 5 – „Design Anforderungen und Schutzmaßnahmen “ Neuer Anhang mit der Darstellung der verschiedenen Räume rund um einen Roboter Neue Anlage zur Ermittlung des benötigten PL für verschiedene Sicherheitsfunktionen Unterscheidung in zwei Roboterklassen und daraus folgenden unterschiedlichen Perfomance Level sowie unterschiedliche benötigte Sicherheitsfunktionen Neue verpflichtende Sicherheitsfunktionen Normal Stop/Operational Stop Start Interlock Restart Interlock Speziell die neu hinzugekommenen Sicherheitsfunktionen bedürfen einiger Erläuterungen, da man sich hier sicher erst einmal fragt, wozu diese dienen. Alle drei neuen Sicherheitsfunktionen wurden deshalb in die ISO 10218-1 mit aufgenommen, weil diese Funktion von der Maschinenrichtlinie (MRL) gefordert wird. Eine Harmonisierung ohne diese Funktionen in der neuen Norm zu berücksichtigen wäre daher voraussichtlich fehlgeschlagen. Die Normal Stop Funktion spiegelt letztlich die Anforderung wieder, eine Anlage auszuschalten, unbeobachtet zurück lassen zu können und dabei sicher zu stellen, dass die Anlage nicht aus irgend einem Grund wieder anläuft. Oft wird dies z.Z. mit der Betätigung des Not-Halt-Tasters sicher gestellt. Wer kennt es nicht - Der Mitarbeiter geht ins Wochenende und betätigt davor erst einmal den Not-Halt um sicher zu sein, dass die Anlage übers Wochenende nicht plötzlich unerwartet anläuft. Da ein Not-Halt-Taster und eine Not-Halt-Funktion aber nur für Notfälle und nicht für einen regelmäßigen Gebrauch vorgesehen ist, wird von der MRL eben eine solche Normal Stop Funktion gefordert. Der Start Interlock soll sicherstellen, dass ein Roboter nach dem Einschalten oder dem Wiederherstellen der Spannungsversorgung nicht sofort anläuft. Es muss hier erst eine bewusste Handlung durchgeführt werden, bevor sich der Roboter bewegt. Der Restart Interlock wird z.B. bei der Betriebsartumschaltung benötigt und stellt sicher, dass ein Roboter z.B. nach dem Umschalten von Manuell auf Automatik nicht direkt im Automatikmodus anläuft, sondern auch hier zuerst eine bewusste Handlung durchgeführt werden muss, damit die Bewegungen des Automatik-programms gestartet werden. Änderungen in der ISO 10218-2 Wie oben bereits erläutert, wächst der neue Teil 2 der ISO 10218 auf etwa das Dreifache des Inhalts der Vorgängerversion aus dem Jahr 2011. Dies alleine wird es, für einen Integrator einer Roboterapplikation, in Zukunft sicher nicht einfach machen alle normativen Vorgaben zu kennen und umzusetzen. Jedoch ist die Robotik leider über die letzten Jahre immer komplexer geworden, weswegen es unabwendbar war, dass sich dies im Inhalt der ISO 10218 widerspiegelt. Ein wenig Hilfe soll jedoch ein weiteres Dokument bringen, welches ebenfalls im Laufe des Jahres 2024 veröffentlicht werden soll. Der ISO/TR 20218-3 soll bei komplexen und schwer verständlichen Themen der ISO 10218-2 noch einmal weitere Infos und Erläuterungen geben und dem Integrator hier dabei helfen, seine Applikation entsprechend der Norm umzusetzen. Ein Integrator ist mit der Veröffentlichung der neuen ISO 10218-2 gut beraten, entsprechende Weiterbildungen zu der neuen Norm zu besuchen oder einen externen Experten ein prüfendes Auge auf die Sicherheit seiner Applikation werfen zu lassen. Der neue ISO/TR 20218-3 Wie bereits erläutert, hat das ISO-Normungsgremium TC 299 WG3 neben der neuen ISO 10218-1 und -2 noch einen neuen ISO/TR 20218-3 erarbeitet, welcher Hilfestellung im Umgang und der Anwendung mit dem Teil 2 der ISO 10218 geben soll. In diesem TR wird in einzelnen Abschnitten noch einmal explizit auf die folgenden Themen eingegangen: Normal Stop / Operational Stop Manual Mode und High Speed manual mode Sicherheitsfunktionen Single Point of Control Start- und Restartinterlock Reset einer Sicherheitsfunktion Mode-Activation vs. Mode-Selection Räume und Modi – Der Sicherheitsbereich kann dynamisch sein Cybersecurity Weitere Hilfestellung zur Thematik rund um die Kraft- und Leistungsbegrenzung Man stellt bei der Betrachtung der vorgenannten Themen sehr schnell fest, dass auch in diesem Dokument viele Informationen enthalten und veröffentlicht werden. Es ist daher jedem Integrator von Robotikapplikationen absolut zu empfehlen, in Zukunft nicht nur die ISO 10218-2 sondern auch diesen neuen ISO/TR 20218 griffbereit zu haben.
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Risikobeurteilungen sind ein wichtiger Bestandteil des Maschinenbaus und spielen eine entscheidende Rolle bei der Gewährleistung der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz. Durch eine systematische Bewertung und Analyse von potenziellen Gefährdungen können Unternehmen Risiken minimieren, Arbeitsunfälle verhindern und die Einhaltung von Gesetzen, Richtlinien und Vorschriften gewährleisten. In diesem Artikel wird wir die Bedeutung der Risikobeurteilung von Maschinen noch einmal herausgestellt und verdeutlicht.
von Andreas Schunkert 26. September 2023
2004 und damit vor fast 20 Jahren wurde der erste kollaborative Roboter, der LBR 3 verkauft. Da sollte man doch meinen, dass wir heute im Jahr 2023 kollaborative Roboter sicher einsetzen können und es umfängliche Regeln gibt, welche den Einsatz in den unterschiedlichsten Applikationen genau definieren. Leider ist es jedoch nicht ganz so. Zwar wurde 2016 (12 Jahre nach dem ersten Cobot auf dem Markt) die ISO TS 15066, mit Regeln für die Anwendung von kollaborativen Roboterapplikationen, veröffentlicht. Jedoch unterscheidet diese in ihrer Betrachtung nicht wirklich Applikationen bei denen ein Cobot tatsächlich 24/7 Seite an Seite mit einem Mitarbeiter zusammen arbeitet und solche Anwendungen, bei denen der Roboter zwar ohne Schutzzaun arbeitet aber eigentlich weit und breit kein Mitarbeiter in der Nähe ist. Schaut man in die ISO 12100 - Sicherheit von Maschinen - Risikobeurteilung und Risikominderung, so findet man dort, dass sich das Risiko aus den Faktoren "Schwere der möglichen Verletzung" und der "Wahrscheinlichkeit des Auftretens" zusammen setzt. Im letzteren Faktor sind die Aufenthaltsdauer im Gefahrenbereich, die Frequenz mit der man in den Gefahrenbereich eintritt und die Möglichkeit der Vermeidung des Schadens inkludiert. Schaut man nun in die ISO TS 15066, so findet sich dort in der Anlage A eine Auflistung an Kräften und Drücken welche den Schmerzeintritt definieren. Diese Werte werden nun seit Jahren für alle kollaborierenden Applikationen gleicher-maßen heran gezogen und als Obergrenze gesetzt. Ganz gleich ob die Applikation eine hohe Wahrscheinlichkeit einer Kollision zwischen Mensch und Roboter aufweist, da sich ein Mitarbeiter im normalen Arbeitsprozess ständig in der Nähe des Roboters aufhält, oder ob die Wahrscheinlichkeit eher gering ist, da der Cobot für sich alleine arbeitet und nur alle paar Stunden mal ein Mitarbeiter vorbei schaut und z.B. ein neues Tray bei einer Maschinenbeladung einlegt. Das Betrachten beider Applikationen mit den gleichen Maximalwerten für Kraft und Druck kommt mit Hinblick auf die oben beschriebene Ermittlung des Risikos nach ISO 12100 dem berühmten Vergleichen von Äpfel und Birnen gleich! Nehmen Sie einmal an, sie bewerten die Klemmung einer Hand nach der oben genannten ISO TS 15066. Nachfolgend ist hierzu ein Auszug aus der Anlage 1 dargestellt. Wie Sie sehen, wird hier die maximale Kraft mit 140N für eine Klemmung und einem transienten Faktor von 2 beziffert. Der transiente Faktor bezieht sich dabei auf eine zulässige Überhöhung in den ersten 0,5 Sekunden. Es dürfte so also bei einer Messung in einer Applikation 280N in den ersten 0,5 Sekunden auftreten und 140N nach 0,5 Sekunden. Liegt einer der beiden gemessenen Werte über diesen Werten so wäre die Applikation nach dieser Technischen Spezifikation (TS) als nicht sicher zu bewerten.
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